Haftungsdach für vertraglich gebundene Vermittler

Haftungsdach für gebundene Vermittler

Was ist ein Haftungsdach und wie funktioniert es in der Praxis?

Bankgeschäfte, wie die Vermögensverwaltung, die Anlageberatung und die Anlagevermittlung sind in Deutschland streng reguliert. Benötigt wird eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gemäß Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG, ehemals KWG).

Gerade Fintechs, aber auch Private Banker oder angestellte Vermögensverwalter verfügen oft nicht über alle Voraussetzungen zur eigenen BaFin-Zulassung. Ein reguliertes Haftungsdach stellt daher oftmals eine professionelle und kostenschonende Alternative dar und bietet die benötigten regulatorischen Lizenzen, eine Infrastruktur sowie die laufende KYC- und WpHG-Compliance.

 

Haftungsdach
Haftungsdach

Was ist ein Haftungsdach?

Ein Haftungsdach ist ein rechtlicher Rahmen (gem. §3 Abs. 2 WpIG), der es Anlageberatern und -vermittlern sowie Vermögensverwaltern und Fondsmanagern ermöglicht, ihre Wertpapierdienstleistungen unter einem regulatorischen Dach anzubieten, um die Anforderungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu erfüllen und das Risiko der Haftung zu minimieren.

Im Allgemeinen bietet ein Haftungsdach eine Compliance- und Vertriebs-Plattform, über die  Wertpapierdienstleistungen und Services abgerufen werden können, ohne eine eigene Lizenz zu benötigen. Stattdessen arbeiten die so genannten vertraglich gebundenen Vermittler (englisch: Tied Agents) unter der Haftung und Regulierung eines Haftungsdachs, das die rechtlichen und regulatorischen Anforderungen gemäß Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) erfüllt.

In der Regel bietet das Haftungsdach eine Reihe von Dienstleistungen, einschließlich Compliance-Management, Back-Office-Unterstützung, Technologie-Plattformen und Zugang zu einer Vielzahl von Anlageprodukten und -dienstleistungen an. Dabei arbeiten Haftungsdächer – die selbst Wertpapierinstitute oder Wertpapierhandelsbanken sind – mit dritten depotführenden Stellen, Brokern und Depotbanken Hand in Hand zusammen.

 

Moderne Haftungsdächer haben eine Wealthtech-Plattform geschaffen, über die nicht nur klassische Angebotsmodelle abgewickelt werden können, sondern worüber auch Fintechs und Finanz-Start-ups innovative Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen und einen Robo-Advisor beziehen können.

Fintechs bezeichnen diese Dienstleistungen als Investment-as-a-Service, Brokerage-as-a-Service, Compliance-as-a-Service oder Robo-Advisor-as-a-Service.

 

Wie funktioniert ein Haftungsdach und was verlangt die Finanzaufsicht?

Im Allgemeinen funktioniert ein Haftungsdach für vertraglich gebundene Vermittler (genannt vgV) wie folgt:

 

Due Diligence des vertraglich gebundenen Vermittlers

Bei vertraglich gebundenen Vermittlern von Wertpapierinstituten handelt es sich um Unternehmen, die Anlagevermittlung, die Anlageberatung oder das Platzierungsgeschäft für Rechnung und unter der Haftung eines Kredit- oder Wertpapierinstituts erbringen. Diese Unternehmen benötigen keine eigene Erlaubnis, sondern schlüpfen sozusagen unter das „Haftungsdach“ des Instituts.

Dennoch muss die Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Pflichten gewährleistet bleiben. Hierfür hat die ESMA ihre Erwartungen an die Aufnahme eines vertraglich gebundenen Vermittlers unter ein Haftungsdach formuliert.

 

Erwartungen des Regulators an einen vgV

Zu den Erwartungen ESMA gehört zum Beispiel, dass das Haftungsdach versteht, wie der vgV zur Strategie des Haftungsdach beitragen wird, mit welchen Kunden der vgV zu tun haben wird und wie das Haftungsdach mit diesem Kunden umgehen kann. Im Rahmen des sog. Onboardings muss das Haftungsdach daher die folgenden Punkte analysieren und bewerten:

 

  • Wie sieht die Organisationsstruktur des vgV aus?
  • Welche Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen bringen die Personen hinter dem vgV mit?
  • Wieviel Zeit wenden sie für die Tätigkeit des vgV auf?
  • Verfügen die Leitungspersonen des vgV über eine ausreichende Zuverlässigkeit und Eignung für die Erbringung der Tätigkeiten im Namen des Haftungsdachs?
  • Bestehen geeignete Mechanismen damit der vgV dem Haftungsdach Bericht erstatten kann?
  • Werden alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen, um die Anforderungen der MiFID II an die Sicherung der Kundenvermögen zu erfüllen?

 

Weitere Anforderungen an den Vertrag zwischen dem Haftungsdach und dem vgV

Der so genannte vgV-Vertrag muss enthalten:

    • Angaben zur Eintragung in das BaFin-Register für vertraglich gebundene Vermittler
    • Eine Definition der Tätigkeiten, die der vgV im Namen des Haftungsdachs ausüben wird
    • Das Verbot, dass der vgV ebenfalls für andere Haftungsdächer als vgV tätig wird (Ausschließlichkeitsprinzip)
    • Die Verpflichtung des vgV, Kunden seine Stellung als vgV offenzulegen und das Haftungsdach zu benennen. Es soll untersagt werden, dass der vgV Verweise, E-Mail-Konten oder Telefonnummern verwenden, die mit einem anderen Unternehmen als dem haftenden Haftungsdach, einem Drittland oder einem Unternehmen aus einem Drittland in Verbindung gebracht werden können.
    • Eine Erläuterung der Mechanismen, mit denen das Haftungsdach die Tätigkeiten des vgV überwachen wird
    • Die Vereinbarung, dass das Haftungsdach und seine Abschlussprüfer Zugang zu den Daten über die von dem vgV im Namen des Haftungsdach ausgeübten Tätigkeiten sowie zu den betreffenden Geschäftsräumen hat, sofern dies für die Zwecke einer wirksamen Überwachung erforderlich ist
    • Die Verpflichtung des vgV, alle vertraulichen Informationen über das Haftungsdach und die Kunden geheim zu halten.

 

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Erwartungen des Regulators an die laufende Tätigkeit und Compliance

Im laufenden Geschäftsbetrieb müssen seitens des vertraglich gebundenen Vermittlers bestimmte Maßnahmen und Standards eingehalten werden Hierzu gehören auch Maßnahmen des Haftungsdachs zur laufenden Überwachung der vgVs.

 

Als erforderliche organisatorische Maßnahmen können genannt werden:

  • Die Compliance-Funktion des Haftungsdachs, die für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten verantwortlichen Personen bei der Einhaltung der Verpflichtungen des Haftungsdachs berät und unterstützt
  • Das Riskmanagement zur Überwachung der Einhaltung der Regelungen, Verfahren und Mechanismen des Haftungsdachs durch den vgV
  • Die Sicherstellung, dass die Vergütungspolitik und -praxis für die Mitarbeiter des vgV gilt, soweit diese (direkt oder indirekt) Einfluss auf die erbrachten Wertpapierdienstleistungen haben, ordnungs-gemäß und frei von Interessenskonflikten erfolgt
  • Die Aufstellung von Grundsätzen für den Umgang mit Interessenkonflikten (Conflict of Interest Policy) des Haftungsdachs, die auch in Bezug auf die vgV ausreichend gelten.

 

Zudem überzeugt sich die BaFin regelmäßig davon, dass das Haftungsdach

  • angemessene organisatorische Vorkehrungen zur Überwachung der vgV eingerichtet hat
  • geeignete Berichterstattungsmechanismen bestehen
  • Vor-Ort-Kontrollen beim vgV durchgeführt werden
  • angemessene Mechanismen zur Beurteilung der Qualität der Tätigkeit des vgV bestehen
  • angemessene Mechanismen zur Erkennung von Interessenkonflikten bestehen

 

Wie sind Haftungsdächer reguliert?

In Europa unterliegt die Einrichtung und das Betreiben eines Haftungsdachs den Vorschriften der European Securities and Markets Authority (ESMA), die für die Überwachung der Finanzmärkte und den Schutz der Anleger zuständig ist. Die ESMA hat Richtlinien und Empfehlungen erlassen, die die Anforderungen an die Einrichtung und Verwaltung von Haftungsdächern in Europa definieren. In Deutschland gibt es spezielle Gesetze, die die Einrichtung und das Betreiben eines Haftungsdach regeln. Dazu zählen unter anderem:

 

  • Das Kreditwesengesetz (KWG)
  • Das Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG)
  • Das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)
  • Das Geldwäschegesetz (GwG)
  • Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)
  • Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG)

 

BaFin - Definition Wertpapierinstitut und Haftungsdach für vertraglich gebundene Vermittler (Vermögensverwalter, Anlageberater und -vermittler)
BaFin – Definition Wertpapierinstitut und Haftungsdach für vertraglich gebundene Vermittler (Vermögensverwalter, Anlageberater und -vermittler)

 

Das Kreditwesengesetz und das Wertpapierinstitutsgesetz regeln die Regulierung von Kreditinstituten und Wertpapierinstituten in Deutschland. Das WpHG regelt die Registrierung und Zulassung von Wertpapierdienstleistungs-unternehmen und den Wertpapierhandel. Es enthält Anforderungen an das Risikomanagement und die Compliance für Haftungsdächer und andere Wertpapierdienstleistungsunternehmen.

Das GwG legt Maßnahmen zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung fest. Haftungsdächer und andere Finanzdienstleistungsunternehmen müssen gemäß dem GwG angemessene Maßnahmen zur Identifizierung und Überwachung ihrer Privat- und Geschäftskunden sowie derer Transaktionen umsetzen.

Die DSGVO regelt den Schutz personenbezogener Daten in der Europäischen Union. Haftungsdächer müssen sicherstellen, dass sie die Datenschutz-anforderungen gemäß der DSGVO erfüllen. Das WpPG regelt die Erstellung und Veröffentlichung von Wertpapierprospekten, wenn Haftungsdächer Wertpapiere emittieren oder vertreiben.

Gemäß dieser Gesetze verfügen Haftungsdächer eine spezielle Genehmigung von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und müssen strenge regulatorische Anforderungen erfüllen, um sicherzustellen, dass sie den gesetzlichen Standards entsprechen. Diese Anforderungen sollen auch dazu beitragen, das Risiko der Haftung für Anlageberater und -vermittler und Kunden zu minimieren und die Integrität des Finanzsystems zu erhalten. Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen für Haftungsdächer umfassen in der Regel:

 

Genehmigung und Registrierung

Haftungsdächer müssen eine Genehmigung und Lizenzierung von der zuständigen Aufsichtsbehörde erhalten, bevor sie ihre Dienstleistungen anbieten können.

 

Eigenkapitalanforderungen

Haftungsdächer müssen über ausreichendes Eigenkapital verfügen und strenge Liquiditätsanforderungen sicherstellen, um potenzielle Verluste abzudecken.

 

Compliance-Anforderungen

Haftungsdächer müssen interne Compliance-Systeme und -Verfahren etablieren, um sicherzustellen, dass ihre Tätigkeiten den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.

 

Risikomanagement

Haftungsdächer müssen ein angemessenes Risikomanagement etablieren, um die Risiken, die mit der Erbringung der Dienstleistungen verbunden sind, zu identifizieren, zu bewerten und zu minimieren.

 

Transparenzanforderungen

Haftungsdächer müssen transparente Informations- und Offenlegungsanforderungen erfüllen, um sicherzustellen, dass Kunden angemessen informiert werden und Vertrauen in das Haftungsdach haben.

 

MaRisk – Mindestanforderungen an das Risikomanagement

Haftungsdächer müssen spezielle Anforderungen an die Aufbau- und Ablauforganisation erfüllen und grundsätzlich Ausgestaltung der Aufbauorganisation fortlaufend überwachen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Gesetze und Vorschriften für Haftungsdächer in Deutschland von Zeit zu Zeit geändert werden können, um den sich ändernden Marktbedingungen und Risiken gerecht zu werden. Daher müssen Haftungsdächer sicherstellen, dass sie auf dem neuesten Stand der Gesetzgebung bleiben und alle geltenden Anforderungen erfüllen.

 

 

FAZIT

Der Begriff Haftungsdach beschreibt den in § 3 Abs. 2 WpiG geregelten bankaufsichtsrechtlichen Ausnahmetatbestand. Ein Haftungsdach stellt dabei den Rechtsträger für Anlageberater und Anlagevermittler dar, die über keine eigene Zulassung verfügen.

Der Anlageberater bzw. Anlagevermittler fungiert als vertraglich gebundener Vermittler (englisch tied agent) im Namen und auf Rechnung des Haftungsdachs. Das Haftungsdach ist verpflichtet, diese zu beaufsichtigen und zu kontrollieren.

Unter einem Haftungsdach können verschiedene Dienstleistungen und Services betrieben werden, die mit der Anlageberatung, der Anlagevermittlung, der Vermögensverwaltung und des Fondsvertriebs in Zusammenhang stehen. Hierbei fungiert das Haftungsdach als Bindeglied zwischen dem Kunden und seinem angebundenen Vermittler und stellt neben den notwendigen Lizenzen weitere Dienste und Investment-Anwendungen entlang der Investment-Wertschöpfungskette bereit.

 

Über die INNO INVEST

INNO INVEST Geschäftsführung | Herbert Schmitt und Stefan Schmitt
INNO INVEST
Geschäftsführung: Herbert Schmitt (li)
und Stefan Schmitt (re)
Vermögensverwaltung, Robo-Advisor, Fintech, Haftungsdach und Maklerpool

Gegründet wurde die INNO INVEST als BaFin-reguliertes Vermögensverwaltungsinstitut für Privatkunden und Unternehmer. Heute setzt die INNO INVEST als Wertpapierinstitut und Fintech neue Maßstäbe als digitaler Private Banking-Anbieter und Robo-Advisor. Zudem bietet die INNO INVEST ein Haftungsdach für vertraglich gebundene Vermittler und als Fintech für Investment-Fintechs die Wealthtech-Plattform und Investment-as-a-Service an.

Die Wealthtech-Plattform der INNO INVEST ist ausgerichtet auf Geschäftsmodelle entlang der Wertpapier-Wertschöpfungskette und im Bereich der Vermögensanlage. Darüber hinaus bietet die INNO INVEST innovative Lösungen auf den Gebieten Investment-APIs, Robo-Advisory und digitaler, MiFID II-konformer Beratungssoftware.

 

 

 

 

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